Ich staunte nicht schlecht, als ich hörte, dass die Stadt Peine von Ende April bis September 2020 sogenannte Elterntaxis finanziell bezuschusst hat – mit 30 Cent pro Kilometer. Das und ein Bericht über Helikoptereltern, den ich unlängst gesehen hatte, veranlassen mich dazu, diesen Artikel zu schreiben und ein wenig auszuführen, wie ich die Sache sehe.
THEMEN IN DIESEM BEITRAG
Was sind Elterntaxis?
Wenn die Eltern ihre Goldschätzchen regelmäßig zur Schule bringen und möglichst auch wieder abholen, dann spricht man von einem Elterntaxi. Chaotische und gefährliche Zustände morgens vor der Schule sind vorprogrammiert, besonders dann, wenn die Eltern kreuz und quer parken, den Verkehr gefährden und die komplette Straße blockieren.
Jetzt greife ich noch ein wenig in die Klischeekiste, aber oft ist es leider wirklich so: profilierungssüchtige Eltern, die möglichst große, teure Autos fahren („Familienkutsche“), auch wenn sie nur zu dritt sind (Mutter, Vater, Kind), wollen sich morgens auf dem Catwalk „Schule“ präsentieren, mitsamt ihren über-erzogenen Sprösslingen. Da trifft man auch all‘ die anderen Eltern, die perfekte Kinder haben und man kann direkt mal den neuen Porsche Cayenne zeigen („war nicht teuer, ist ein Jahreswagen. Aber wie neu! Und mit allem Schnickschnack!“). Praktisch ist es auch, wenn die Klassenlehrerin zufällig des Weges kommt und man ein Fachgespräch über die Noten und die „fragwürdigen“ pädagogischen Methoden führen kann. Natürlich mit dem Hinweis, dass der kleine Eminem-Aljoscha heute pünktlich die Schule verlassen muss, weil er direkt im Anschluss Geigenunterricht hat, danach noch zur Mandarin-Chinesisch-Stunde muss und nach einer halben Stunde Erholung ist noch Fechten und Schach angesagt. Und die Hausaufgaben müssen ja auch noch gemacht werden, und zwar fehlerfrei!
Was sind Helikoptereltern?
Eltern, die sich überfürsorglich, überbehütend und permanent im Dunstkreis ihre Kinder aufhalten, diese bewachen, beschützen, beobachten und jeden ihrer Schritte nachverfolgen. Man stelle sich das Bild eines Helikopters vor, der ständig über den Kindern kreist, sodass sie unter dauernder Beobachtung sind. Es gibt verschiedene Ursachen, warum das so ist. Beispielsweise soll das Kind zu einem „Idealkind“ erzogen werden, das die Eltern niemals waren („Du sollst es später mal besser haben als wir!“). Das führt dann dazu, dass das Kind alles können muss, was die Eltern früher nicht konnten (vielleicht, weil sie zu doof dazu waren). Natürlich müssen sie perfekte Noten mit nach Hause bringen, sich eloquent ausdrücken, gebildet sein, Fremdsprachen sprechen, Instrumente spielen (…auf Konservatoriums-Niveau), etc.
Es gibt Schulen, die Briefe an die Eltern schreiben müssen, damit diese nicht mehr während der Schulstunde am Fenster stehen und winken. Es gibt Eltern, die selbst Lateinstunden nehmen, um mit ihrem Kind die Hausaufgaben machen zu können. Es gibt Elternkreise, die einen Lehrer von der Schule schmeißen lassen, weil er zu ihren Kindern gesagt hat: „Ihr habt wohl Erbsen im Kopf.“
– aus: „Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag!“ von Lena Greiner und Carola Padtberg
Aber es gibt auch die Eltern, die schlicht und einfach Angst haben. Angst, die Kinder könnten sich verletzen, sozial abrutschen, schlechten Umgang haben, gekidnappt werden, auf schlechte Gedanken kommen und was-weiß-ich-noch.
Und zu allem Überfluss gibt es noch die elitären Typen mit dem Kontrollzwang, die ihrem Kind nichts, aber auch gar nichts zutrauen. Aber herrje, es soll doch mal studieren! Und viel Geld verdienen! Und berühmt werden! Nein, da muss man ständig hinterher sein, frei nach dem Motto: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.
Was auch immer der spezifische Grund ist, Helikopter-Mutter oder -vater zu sein: es schadet dem Kind mehr, als es nützt.
Soziale Auswirkungen auf die Kinder
Ich bin in den 70ern und 80ern aufgewachsen. Schon zu Grundschulzeiten bin ich zu Fuß zur Schule gegangen – kein Problem, das waren nur 10 Gehminuten. Vorher habe ich meinen besten Freund abgeholt, der auch in meiner Klasse war. Später bin ich auf die weiterführende Schule mit dem Schulbus gefahren. Das war praktisch und klappte hervorragend. Man konnte noch ein bisschen Blödsinn mit den Klassenkameraden machen und war pünktlich zuhause. In meinem Fall bei den Tageseltern, denn meine Mutter war alleinerziehend und ganztags berufstätig.
Ich behaupte, dass mir das überhaupt nicht geschadet hat. Im Gegenteil, ich wurde selbstständig, habe soziale Kontakte geknüpft und gelernt, wie die Welt funktioniert. Die Kinder in meiner Jahrgangsstufe wurden jedenfalls nicht entführt, überfahren und sind auch nicht hilflos in der Stadt umhergeirrt (obwohl wir kein Handy hatten, aber es gab zur Not Telefonzellen), angeschossen oder ausgeraubt.
Heute sehe ich, dass das Nachbarskind jeden Tag von ihrer Mutter zur Schule gefahren und nach der Schule von dort abgeholt wird und ansonsten ein relativ einsames Leben mit Papa und Mama führt. Freunde sehe ich nur an ihrem Geburtstag, sonst nicht. Sie soll eine gute Schülerin werden und lernt viel. Dazu muss ich sagen, dass unsere Nachbarn es noch nicht einmal auf die Spitze treiben, das ist sogar noch verhältnismäßig moderat, was die da mit ihrer Tochter veranstalten. Aber es gibt natürlich – und das ist kein Märchen – auch die Eltern, die für ihre Kinder nicht nur Taxifahrer sind, sondern auch Manager, Gefängniswärter, Stasi, Privatlehrer und Betreuer in Personalunion. Die ihrem Kind keinen Freiraum mehr lassen, sondern zur Not dessen Hausaufgaben machen, Termine einrichten und diese auch verwalten, sie ständig überwachen und über alles, was das Kind betrifft, Bescheid wissen. Und sogar deren Passwörter kennen und sie in den sozialen Medien ausspionieren.
Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. Natürlich möchte man das Beste für sein Kind, aber da wird häufig etwas fundamental missverstanden. Im schlimmsten Fall züchtet man sich Soziopathen heran („mein Papa verklagt dich, wenn du mir nochmal mit dem Kuscheltier auf den Kopf haust! Und dann müssen du und deine Eltern den Rest ihres Lebens ins Zuchthaus!!!“) oder vollkommen unselbstständige, komplett lebensuntaugliche Menschen und im schlimmsten Fall total kaputte Psychos. In meinen Augen leben Eltern, die ihre Kinder so behandeln, als wären es rohe Eier, die jederzeit kaputtgehen könnten, ihren Kontrollzwang aus und versuchen, ihre eigenen Fehler von früher an ihrem Kind zu kompensieren. Da ist schon mal eine 2+ im Aufsatz ein Problem („Warum war es diesmal keine Eins?! Warum tust du uns das an?! Hast du uns nicht lieb?“), weswegen man mit dem Lehrer dringend ein ernstes Wörtchen reden muss. Das Kind soll ja schließlich später mal nicht in der Gosse landen, sondern auf der Elite-Uni. Und überhaupt: die Benotung ist ungerecht, die nehmen wir nicht hin! Und wenn wir uns einen Anwalt nehmen müssen! Pah, was erlaubt sich dieser sogenannte Pädagoge überhaupt!!1elf
Wie es besser geht
Es ist traurig, dass man das explizit erwähnen muss. Aber die beste Möglichkeit, ein ordentliches Kind heranzuziehen, sind die folgenden, einfachen Tipps:
- Respektvoll mit dem Kind umgehen
- Es ernst nehmen und zuhören
- Angemessene Bestrafungen, falls das Kind mal Mist gebaut hat. Und erklären, warum es nicht OK war.
- Erklären, wie die Welt funktioniert
- Im Hintergrund alles, was für das Kind nötig ist, unauffällig regeln
- Helfen, wenn es nötig ist. Aber nur dann.
- Nicht überfordern
- Keinen Zwang ausüben
- Ganz wichtig: Liebe zeigen!
- Dem Kind etwas zutrauen
- Das Kind verteidigen, wo es notwendig ist, aber es die Dinge selbst regeln lassen, die es regeln kann
- Die Selbstständigkeit fördern
- Interessen des Kindes fördern
Der Gag an der Sache ist, dass ich selbst keine Kinder habe. Ihr könntet jetzt sagen: „Super, der weiß gar nicht, wovon er schreibt!“ Doch, weiß ich. Weil ich selbst mal Kind war und erlebt habe, wie es funktionieren kann. Und weil ich viele ehemalige Kinder kenne, die jetzt meine Freunde und Bekannten sind und die mir Ähnliches erzählen.
Aber eines kann ich Euch mit Sicherheit sagen: HelikopterElternTaxis sind Bullshit! Oder wie seht Ihr das?
Buch: Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag!
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Ich bin froh, dass mein Sohn 32 (huch!) und gut gelungen ist. Durch die Widrigkeiten des Lebens musste ich ihn früh „loslassen“, so dass er sehr selbstständig war. Klare Regeln und Abmachungen, die eingehalten werden (ich höre hier immer eine Assi- Mutter die Gören anschreien „Stubenarrest! Fernsehverbot! Spielzeug in den Müll!“ Alles sowieso blöd, passiert aber auch nicht. Die Kinder (Vorschulalter) brüllen immer lauter zurück. Aber das ist ein anderes Thema).
Vertrauen und nicht nur Dinge einfordern, sondern auch Dinge zutrauen und erlauben. Ich konnte nicht alles kontrollieren, aber hatte meine Tricks. So konnte ich auch mal was „übersehen“ (und mein Gesicht nicht verlieren), die wichtigen Dinge haben geklappt. Und seinen außerschulischen Interessen konnte er auch nachgehen, manchmal hab ich bei der Organisation geholfen und er wurde immer pfiffiger, das allein auf die Kette zu bekommen.
Und genauso gerüstet hat er auch Studium und jetzt Leben gemeistert und im Griff.
Was da teils heute abgeht…wenn es nicht so furchtbar wäre, wäre es zum Totlachen!
Ich sehe Miki, Du hast wahrscheinlich ganz viel richtig gemacht. Vertrauen, Regeln und Abmachungen funktionieren in der Regel, und dann kommt auch was Vernünftiges raus 😉
Mir ist das Lachen bei dem, was heute teilweise abgeht, schon lange im Halse stecken geblieben. Da wird eine Generation von Psychos herangezüchtet, nur weil die Eltern meinen, ihren Kontrollzwang, ihre kognitiven Defizite und ihre Überfürsorge ausleben zu müssen. Und ich denke, Psychos laufen auf der Welt schon genug rum, da braucht man nicht noch zusätzliche. Ich bin für einen „Eltern-Führerschein“.