Obwohl wir ja jetzt trotz kalter Temperaturen unaufhaltsam dem Frühling entgegen gehen, habe ich mich heute an zwei Gedichte erinnert, die ich einerseits wahnsinnig schön finde, die aber andererseits auch sehr melancholisch sind.
Bei uns gab es in diesem Winter öfters mal Nebel. Ich mag Nebel, die Welt wird von einem Weichzeichner überzogen, und wenn der Nebel sehr dicht ist, kann man seine Umgebung nur erahnen. Oft ist es auch sehr still, man hört die Geräusche nur leise, weil der Nebel die Geräusche dämpft. Dann bekomme ich nicht die Krise, wie manch anderer, sondern ich werde ruhig und nachdenklich. Aber das ist kein unangenehmes Gefühl, es ist eigentlich sehr schön. Ich gehe auch gerne über Friedhöfe, trotzdem bin ich kein Gruftie.
Hermann Hesse hat dazu 1905 ein tolles Gedicht geschrieben – Im Nebel.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Auch Rainer Maria Rilke hat die Stimmung gut eingefangen, wie in seinem Gedicht „Herbsttag“ von 1902:
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Das ist wirklich große Lyrik, mit der ich auch etwas anfangen kann. Warum ich Euch mit dem ganzen Nebel und Herbst konfrontiere? Erstens, weil mir heute danach ist, darüber zu schreiben und zweitens, weil der Frühling bald kommt. Und da kann man die trübe Jahreszeit ja nochmal kurz verabschieden.
Nebel hat etwas. Ich finde, dass er eher zum Herbst als zum Frühling passt. Aber die Wettergötter sehen das bisschen anders.
Hermann Hesse, schrieb „Im Nebel“ im November 1905.
Das erinnert wohl nicht nur mich ein bisschen an die schlimmen Corona-Zeiten. Bei uns hier im Ort lag am Sonntag der Inzidenzwert bei 367,7.
Hallo Horst, der Nebel im Frühling und der im Herbst sehen zwar ähnlich aus, aber sind jeweils ganz verschieden. Im Frühling liegen so verwunschene Nebelschleier über den Wiesen und irgendwann bricht die Sonne hervor. Das sind dann diese schönen, dunstigen Tage, an denen die Natur langsam aufwacht. Im Herbst hingegen ist es ein anderer Nebel: melancholisch, mystisch, düster. Da gibt es diese Tage, an denen man keine Sonne sieht. Beides hat was.
Genau so.
Lieber Martin, gerade habe ich deinen schönen Artikel zum Thema „Nebel“ gelesen. Mich inspirieren deine Gedanken und die schönen Gedichte von Hesse und Rilke und wenn ich das Wort Nebel näher betrachte und rückwärts lese, dann entsteht das Wort „Leben“, welches mich auch ganz gerne mal melancholisch werden lässt. Der Nebel gehört zur Natur dazu und zieht sich durch alle Jahreszeiten, wie auch mancher Nebel in einem Leben entstehen kann und dazugehört. Ich mag den Nebel, manchmal. 😉
Meine liebste Frau Bambi, vielen Dank für den Kommentar <3.
Gerade Rilke hat viele schöne Gedichte geschrieben (ich muss zugeben, dass ich nicht viel über ihn wusste) und war eigentlich überraschend modern in der Sprache.
Im Herbst gehen wir zwei mal zusammen durch den Wald, wenn es neblig ist.