Der Geilomat Eine Kurzgeschichte aus Werner´s Hackhütte

Knut Besigkeit hatte jetzt schon seit 3 Monaten keinen Sex mehr und beschloss an einem sonnigen Mittag im Mai, dass das unbedingt ein Ende haben muss. Also zog er seine schwarzen Lederhose an, streifte sich den roten Strickpullover über, schlüpfte in die dicken Wollsocken und dann in die alten, braunen Wildlederschuhe und machte sich auf den Weg in die Stadt. Was essen und dann mal drüber nachdenken, wie man es sich so richtig besorgen könnte.

An der Bushaltestelle wartete er ein Weilchen, während ein knutschendes Paar seine Aufmerksamkeit erregte. Kurz bevor der Typ den Hosenstall öffnete, kam er auch schon. Der Bus. Richtung Industriegebiet Eisenstraße. Also: nichts wie rein, Fahrkarte kaufen, Sitzplatz suchen. Vor ihm eine Oma, die ihn anschaute, als sei er ein giftiges Insekt, weil man zu ihrer Zeit (wann war das? Vor dem Krieg?) als Mann wahrscheinlich keinen Undercut, Tunnel und Tattoos getragen hatte. Unglaublich ist das! Langsam drehte sich Knut wieder nach vorne und schüttelte den Kopf in Zeitlupe. Anscheinend war sie der Meinung, dass er keine existenzielle Gefahr darstellte und widmete sich daher höchstwahrscheinlich wieder ihren Gedanken, die vermeintlich um den nächsten Arztbesuch, das zerrüttete Verhältnis zu ihrem unansehnlichen, kriminellen Sohn und den Friedhof kreisten, den sie nach 3 Haltestellen erreichen wird und auf dem ihr Gatte, der alte Busengrapscher, nun schon seit 12 Jahren lag und langsam verrottete.

„Nächster Halt: Eisenstraße“ klang es frohlockend aus dem Lautsprecher. Wie sieht diese Frau wohl aus, die die Haltestellen-Texte einspricht? Ist das überhaupt eine Frau oder eine Software? Wie auch immer, er würde gerne ein Bier mit ihr trinken, denn diese sexy Stimme machte ihn total an. Knut stand also auf, hielt sich an gelben Stangen fest und schwankte im ruckenden Bus an die Ausgangstür (die Oma verfolgte ihn währenddessen mit ihren hässlichen Blicken). Der Linienbus bremste heftig, die hintere Tür öffnete sich zischend und er stolperte hinaus auf die Straße.

Die Eisenstraße war gänzlich schmucklos und unattraktiv, aber jetzt, im Sonnenschein an einem freien Tag im Mai, sah es hier trotzdem irgendwie ganz hübsch aus: „Futzke GmbH“ (irgendwas mit EDV und Netzwerk, chromefarbenes Firmenlogo, sowas von 90er), „Kack und Back“ (Discountbäcker, bei dem das „n“ im auf die Fassade aufgebrachten Firmennamen letztes Jahr geklaut wurde) und „Werner´s Hackhütte“ (ja, mit Deppen-Akzent – noch nicht mal für einen Apostroph hat es gereicht). Zusammenfassend lässt sich also sagen: eine beeindruckende Anzahl kleiner und sehr kleiner Betriebe war hier ansässig!

Knut steuerte zielstrebig die Hackhütte an, denn hier gab es die wohl besten Hot-Dogs weit und breit (auch wenn sie als „Hotdog´s“ bezeichnet wurden – sie waren legendär). Als er die trocken quietschende Tür öffnete, stieg ihm sofort der scharfe Geruch von angeranztem Frittierfett in die Nase. Werner hatte so tolle Ideen: nennt seine Pommesbude „Hackhütte“, aber bei der Rechtschreibung versagte er auf ganzer Linie, weil er nicht den Unterschied zwischen den kleinen, fliegenschissähnlichen Zeichen auf seiner Tastatur kannte, die Apostroph und Akzent heißen. Und dass es kompletter Unfug ist, sie in einem Firmennamen zu verwenden. Aber was soll’s, das ist hier ja auch eine Frittenbude und nicht der Verein für deutsche Sprache.

„Hey Knut, du Muschi, was verschlägt sich denn hierhin?“ Puh. Was soll man da sagen? „Hey, du Hackfresse, was geht?“ Werner war bestimmt um die 60, feist, fettig und hatte einen wuseligen Haarkranz. Die wenigen langen Flusen, die auf seinem Haupt auf der linken Seite wuchsen, waren fein säuberlich über die Glatze gekämmt und durch das allgegenwärtige Fett, das in der Atmosphäre lag, für alle Zeiten fixiert. „Machst du mir einen Hotdog Premium?“„Klar Chef, dauert aber einen Moment, ich muss erst Horsti eine Hackschnitte braten!“ Horsti drehte sich im Zeitlupentempo um und sagte irgendetwas vollkommen Unverständliches, was sich anhörte wie ’schmeckt eh scheiße‘. Dabei konnte man ziemlich gut erkennen, dass er keinen einzigen Zahn mehr im Mund hatte. Knut entgegnete: „Keine Eile, ich muss erstmal um die Ecke auf deinen Wellness-Klo. Schmeiß mir mal den Schlüssel rüber.“ Werner griff in die Schublade unter dem Tresen, holte einen Schlüsselbund mit Schlumpfanhänger raus und warf ihn Knut zu. „Dann bis gleich!“

Hinter der „Hackhütte“, die eigentlich ein aufgebockter Wohnwagen war, der über die Jahre immer mit weiteren, skurrilen Anbauten versehen wurde, gab es eine Toilette. Aber ha!, nicht so eine behelfsmäßige, wie man denken könnte, sondern ein Klohäuschen deluxe. Gemauert, verklinkert, mit stabiler Tür, sauber, hygienisch rein. Ein Vorzeigeklo sozusagen. Knut ging also um den Wohnwagen herum, durch das Unkraut, und freute sich bereits auf das gut gereinigte Abort, das stets frisch roch und peinlich sauber war. Denn darauf legte Helga, Werners Mutter, großen Wert. Gerade als Knut die Tür aufschließen wollte, sah er im Augenwinkel etwas, das wie eine Art Waschmaschine aussah und sein Interesse weckte. Er ließ den Schlüssel sinken und drehte seinen Kopf zur Seite: dort stand – neben der Toilettentür – ein weißer Schrank aus emailliertem Blech, so hoch wie ein Kühlschrank oder ein Geschirrspüler. Nur ein wenig tiefer – der passte in keine Einbauküche. Das wirklich Besondere daran war, dass er keinerlei Bedienelemente aufwies, sondern nur einen Schlitz, in den man anscheindend Münzen einwerfen konnte. „2 x 2 DM“ stand daneben, wobei das „DM“ durchgestrichen war und mit einem Edding „EURO“ drübergeschrieben wurde. Und da war noch ein interessantes Detail: denn mittig auf dem Blech war ein kleines Loch angebracht, im Durchmesser ungefähr so groß wie ein 2-Euro-Stück, mit einer Art schwarzer Bürste um den Rand. Mehr hatte dieses kuriose Gerät nicht zu bieten, nur den Einwurfschlitz und dieses Loch.

Knut kramte in seinem Portemonnaie und hatte tatsächlich 2 passende Münzen parat. „Probieren wir es doch mal aus!“, dachte er sich und steckte die Münzen in den Einwurfschlitz. Zunächst tat sich nichts. Aber nach wenigen Sekunden hörte er aus der Tiefe des weißen Schranks ein Geräusch, das wie ein leises Räuspern klang. Was nun? Jetzt hatte er eine Ahnung: denn dieses Bürstenloch sah irgendwie aus, als ob man…MOMENT..! Er knöpfte seine Lederhose auf, zog sie herunter und hatte einen bemerkenswerten Ständer, wie er feststellen musste. Diesen führte er in die Öffnung ein, nicht wissend, was ihn erwartet. Vielleicht ist es eine Industriemaschine, die zur Reinigung von Kleinteilen aus Edelstahl vorgesehen ist? Oder vielleicht eine Art Kaugummiautomat, aus dem eher etwas herauskam, als dass man etwas hineinsteckte? Es war so aufregend!

Seine Sorgen wurden augenblicklich zerstreut, denn nach dem Einführen seines Gliedes fing es sofort an zu rubbeln, blasen, vibrieren, zu wabbeln und zu kitzeln. Unglaublich! Knut verdrehte die Augen, denn so etwas hatte er noch nie erlebt. Die Nerven in seinen Schwellkörpern drehten durch, als er wenige Sekunden später gefühlt einen halben Liter Samen in das Gerät spritzte, das hernach ein leises „ölp..!“ von sich gab.

Mit rosiger Gesichtsfarbe öffnete Knut Minuten später wieder die Tür der Frittenbude. „Hot Dog ist fertig!“, sagte Werner, „der wird sonst kalt!“. Er ging zum Tresen, nahm mit verträumtem Gesichtsausdruck den heißen Imbiss entgegen und biss direkt ein großes Stück ab. „Fmeckt fuper!“, sagte er mit vollem Mund.

Helga, Werners Mutter, die hinten am Tisch saß, einen Kaffee im Pappbecher und eine brennende Zigarette im Aschenbecher vor sich stehen hatte, drehte sich zu ihrem Sohn um: „Wo ist denn Oma heute eigentlich? Beim Friseur?“ „Nee Mama, die hat doch heute Dienst, hinten im Geilomat!“„Ach so, ich habe mir schon Gedanken gemacht, weil sie ihr Gebiss vergessen hat!“

Horsti hatte seine Hackschnitte fertig, grinste und drehte sich zu Knut um. „Na Junge, Oldies, but Goldies, wa..?“

Selbst die Kollegen von „Kack und Back“ hörten das irre Gelächter, das aus dem Wohnwagen drang, auf dem in fettigen Buchstaben „Werner´s Hackhütte“ stand.

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Über Martin

Ich bin und war es immer, der Chefredakteur des alten und des neuen Loft 75, dem illustrierten Magazin aus dem 21. Jahrhundert. Geboren 1969 in einem kleinen Ort im Welterbe Oberes Mittelrheintal und somit gebürtiger Rheinland-Pfälzer. Ich habe mich bereits 1987 für Computer interessiert, bin oft kreativ und reduziere Dinge auf das Wesentliche, schreibe gerne und interessiere mich für Design, Einrichten, Internet, Kochen, Blogging und alles, was außergewöhnlich ist und außergewöhnlich gut aussieht. Privat wohne ich am Mittelrhein. Und ich freue mich, wenn Du dieses Magazin magst - lesen wir voneinander..?
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ClaudiaBerlin

Inspiriert durch „Irina Palm“?

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