Jeden Freitagabend um halb acht treffen sich Pablo, Mike, Werner, Claudia und der Typ, den sie Dr. Beat nennen und von dem keiner weiß, wie er wirklich heißt, in der urigen Grillhütte im Hurzbachtal. Werner macht die Sicherung rein und knipst das Licht an, Dr. Beat stellt Kerzen auf den Tisch, holt den leckeren Whisky aus dem Schrank und Pablo entfusselt den Tonabnehmer des alten Plattenspielers, legt ihn vorsichtig in die Einlaufrille und Sirius von Alan Parsons Project ertönt in der Hütte, wie jeden Freitag. Die Protagonisten versammeln sich am Tisch, nehmen einen kräftigen Schluck und schon geht’s los.
Claudia: Hey Jungs, was macht die Forschung?
Mike: Danke, alles gut. Ich habe letzte Woche einen vierdimensionalen, raumzeitgefalteten Kartoffelkeller konstruiert! Und das Ganze auf nur 5 m4!
Bewunderndes Schweigen und Nicken. Werner nimmt einen Schluck.
Pablo: Und, wie hast du das berechnet?
Mike: Na, so Pi mal Schnauze!
Amüsiertes Grinsen.
Dr. Beat: Auf wieviele Nachkommastellen genau?
Mike: 42
Gelächter.
Vor etwas mehr als drei Jahren waren Pablo und Mike gemeinsam mit ihren Frauen im Skiurlaub in Österreich. An einer Tankstelle hing ein Plakat:
Zunftstüberl
Jeden Freitag Volksmusik und gute Laune.
Mike fragte: Was zum Teufel ist denn ein Zukunftsstüberl?
Pablo: Wie bitte? Wo liest du das denn?
Mike: Na hier!
Er zeigte auf das Plakat. Pablo schaute ihn mit verwirrtem Blick an: Ey, da steht ZUNFTstüberl, Junge! Was soll denn ein Zukunftsstüberl sein? Sowas wie eine Cyberalm? Wo sich Typen in Lederhosen treffen und über High-Tech quatschen?
Je länger sie darüber nachdachten, desto besser gefiel ihnen die Idee. Und so trafen sie sich zwei Wochen später zum ersten Mal zum futuristisch-gemütlichen Beisammensein. Kurz danach kam Claudia dazu, die Frau von Werner, den sie aus dem Fitnessstudio kannten. Auf der Kirmes lernten sie dann noch Dr. Beat kennen, den Sozialarbeiter mit den Geheimratsecken und den Latexklamotten, der sich mal an der Schießbude mit dem Luftgewehr aus Versehen in die Eier geschossen hatte und dem seitdem ein Hoden fehlte. Der zuhause erfolglos Synthesizer-Musik komponierte und nicht einmal ansatzweise an Fraktus, sein großes Vorbild aus den 80ern, herankam, so sehr er sich auch Mühe gab.
Jeden Donnerstag wird jemand ausgelost, der am nächsten Abend nüchtern bleiben und fahren muss. Und jeden Freitag wird als Eröffnungslied Sirius gespielt. Das gehört zu den Ritualen dieser Abende. Ach ja, und der Whisky natürlich. Single Malt, extrem torfig, ein wenig fischig und leicht speckig, das mögen in dieser Runde alle.
Jetzt mal im Ernst, sagt Claudia, wir treffen uns hier schon jahrelang, jeden Freitag, kippen uns einen hinter die Binde, fachsimpeln über Retrofuturistik, lachen uns schlapp über unsere bekloppten Ideen und fahren nachts um 3 Uhr rotzevoll nach Hause. Nicht falsch verstehen, ich genieße das mit euch total. Aber manchmal mache ich mir auch ernsthafte Gedanken. Also, ich meine, richtig ernsthafte, so richtig wissenschaftliche. Und manchmal habe ich auch total geniale Ideen. Zum Beispiel die vom Dimensionseimer.
Werner schaut jetzt Richtung Wand und vermittelt das Gefühl, dass er mit dieser Dame nichts zu tun haben und schon gar nicht mit ihr verheiratet sein möchte. Aber Claudia spricht einfach weiter.
Jungs, was wäre, wenn ich euch sage, dass ich es geschafft habe, mit Zeug aus dem Baumarkt ein Portal zu bauen, das in ein Paralleluniversum führt?
Betretenes Schweigen. Fragende Blicke. Werner ist ganz weit weg und schlägt die Augen gen Himmel, was aber keiner sieht, weil er seinen Kopf ja Richtung Wand gedreht hat. Dr. Beat hüstelt unterdrückt.
Mike sagt: Claudia, du bist wirklich, wirklich eine begnadete Kfz-Meisterin. Echt jetzt, in Bezug auf Autos bist du eine absolute Koryphäe und ich werde dir ewig dankbar sein, dass du meinen A3 wieder zum Laufen gebracht hast, obwohl er eigentlich schon tot war. Nimm es mir nicht übel, aber DAS klingt jetzt nach totalem Humbug.
Jetzt machst du dich über mich lustig, sagt Claudia. Aber es funktioniert wirklich. Und ich kann es euch beweisen. – Sie schiebt den Stuhl zurück und geht aus der Hütte, zu ihrem Astra Kombi, und öffnet den Kofferraum. Zunächst holt sie Transportwagen heraus, die sie mit wenigen Handgriffen auseinanderfaltet. Dann folgen Metallprofile, eine Autobatterie, selbstgewickelte Spulen, ein Laser, den sie aus dem CD-Player ihres Sohnes ausgebaut hat und noch ganz viel Kleinteiliges und ein Berg von Kabeln. Und zum Schluss noch ein blau lackiertes, leeres Ölfass. Das alles legt sie in die zwei Transportwagen und rollt erst den einen, dann den anderen in die Hütte. Die Männer unterhalten sich über irgendeinen metaphysischen Schwachsinn und lachen laut, während sie so tun, als ob sie nicht merken, dass Claudia die Teile zusammenbaut. Sie legt das Fass auf den Boden, sichert es mit Vierkantrohren gegen Wegrollen und montiert jetzt die verschiedenen, scheinbar unzusammenhängenden Teile daran. Dabei schaut sie die ganze Zeit auf ihr Smartphone, weil da anscheinend die Bauanleitung drauf gespeichert ist. Nach erstaunlich kurzer Zeit, vielleicht fünfzehn Minuten, wird noch die Autobatterie hingestellt und als sie den 18er-Schraubenschlüssel aus ungefähr zwei Metern Höhe auf den Boden fallen lässt, verstummen die Gespräche augenblicklich und die Männer drehen sich schlagartig um, inklusive Werner.
Eine Art Maschine steht da jetzt auf dem Holzboden, zwar mit viel Panzertape und Kabelbindern, aber: ja, es ist zweifellos eine Maschine. Werner sagt nach langer Zeit wieder etwas: Das hast DU entworfen? Ja, sagt sie, das habe ich entworfen. Und jetzt zeige ich euch, was es kann.
Claudia klemmt das erste dicke Kabel an die Autobatterie, dann das zweite und schließlich hört man ein gedämpftes PFFUMP!, als der Apparat beginnt, ein Tor in das Paralleluniversum aufzubauen. Die Männer sagen nun nichts mehr, sondern schauen wie vom Donner gerührt zum Ölfass, durch das sie jetzt hindurchschauen können. Am anderen Ende sieht man den gleichen Raum, allerdings sind dort Menschen, Kinder und ein Büffet, Musik ist zu hören. Es scheint eine ausgelassene Feier zu sein.
What the fuck!, sagt Dr. Beat. Was hast du da gemacht? Was ist das, was ich da sehe? – Tja, das ist anscheinend eine Geburtstagsparty in der Grillhütte im Paralleluniversum, sagte Claudia. Ich habe schon viele Versuche mit dem Dimensionseimer gemacht, immer dann, wenn Werner im Fitnessstudio war. Ist im Prinzip ganz einfach, wenn man weiß wie. Ein Laser, der durch eine Kupferspule strahlt. Die Spule wird unter Spannung gesetzt, dadurch werden drei phasenverschobene Dimensionen geöffnet, wenn die Resonanzfrequenz richtig eingestellt ist und schon sind wir im Paralleluniversum. Ist eigentlich ein bisschen komplizierter, aber ich will keine Vorträge halten, das können wir später noch ausdiskutieren. Aber das Wichtigste ist, dass es klappt. Und ich gehe da jetzt durch, hole mir ein paar Schnittchen von der anderen Seite und komme wieder zu euch zurück. Ihr könnt mich dabei beobachten, damit ihr nicht denkt, ich erzähle euch Blödsinn. Ich nehme auch mein Handy mit und filme das, damit ich später einen Beweis habe.
Claudia wartet die Antwort der Männer nicht ab, sie legt sich auf den Boden und krabbelt durch den Dimensionseimer. Das sieht auch überhaupt nicht spektakulär aus, nicht wie im Film, wo es zischt und die Luft wabert oder irgendwas mit Blitzen. Und dann ist sie auf der anderen Seite. Sie steht auf, umarmt ein paar der Partygäste (kennt sie die etwa schon? denkt Werner), nimmt sich einen Teller vom Büffet und legt ein paar Canapees drauf. Die Männer liegen mittlerweile auf dem Boden und verfolgen mit ungläubigem Staunen, was da am anderen Ende des Dimensionseimers vor sich geht.
Aber dann kommt es zu einem unglücklichen Missgeschick. Denn Dr. Beats Latexhose kneift ein wenig, daher holt er mit einer ungelenken Bewegung aus, um sie zurechtzuzupfen. Dabei kommt er versehentlich an den Laser, der daraufhin aus der Spule fällt. Beim Versuch, ihn zu fangen, verheddert er sich in den Kabeln, reißt eines heraus, bekommt einen Stromschlag und stößt ziemlich hart gegen die Peripheriegeräte, die um die Maschine herum angeklebt sind, sodass sich einige davon lösen, zu Boden fallen und kaputt gehen. Schlagartig erlischt das Bild vom anderen Ende und der Dimensionseimer fängt an zu qualmen und Feuer zu fangen.
Scheiße, was hast du da gemacht?! Pass doch besser auf! Hol den Feuerlöscher!
Da Claudia ihr Smartphone mit der Bauanleitung für ihren Dimensionseimer mitgenommen hatte, weil sie ja unbedingt ein Video aufnehmen wollte, hat keiner der Männer eine Ahnung, wie man die Maschine wieder zusammenbauen kann. Sie versuchen es zwar, aber außer Stromschlägen, Quetschungen und anderen Verletzungen klappt rein gar nichts. Das Portal ist verschlossen und es besteht ohne Anleitung keine Chance, es wieder zu öffnen.
Nach einem halben Jahr hat sich Claudia im Paralleluniversum (das sich nur durch einige Nuancen von ihrem Heimatuniversum unterscheidet) einen neuen Job gesucht, einen netten Kerl kennengelernt und erst gar nicht versucht, auf ihrer Seite einen Dimensionseimer zu bauen und zurückzukehren. Es war wirklich eine schöne Zeit, die drei Jahre, als sie jeden Freitag mit den Jungs im Zukunftsstüberl abgehängt hat.
Aber Werner, nein, den vermisst sie wirklich nicht.
Ähnlichkeiten mit bekannten Personen sind rein zufällig …¦-))
Du, ich hatte da ehrlich niemanden im Kopf – an wen denkst Du?
Ist ähnlich schräg wie ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘ von Douglas Adams
Ah, da habe ich bis jetzt noch keine Ähnlichkeit gesehen!
Nix im Eimer!
Wirklich alles im (Dimensions-) Eimer?