Habt Ihr heute Abend auch „Wetten, dass..?“ gesehen? Nach 7 Jahren das Revival einer großen, wahrscheinlich der größten Samstagabend-Show ever. Niemand hätte das gedacht, als 2010 eine der Wetten dermaßen schief gegangen ist, dass ein Wettkandidat seitdem querschnittgelähmt ist.
Aber heute Abend war es nach vielen Jahren wieder soweit: „Wetten, dass..?“ kam wieder! Als vermeintlich einmaliges Event, aber hoffentlich täuschen wir uns alle. Warum diese Show ein Segen für Deutschland sein könnte, versuche ich aus meiner Sichtweise zu erklären.
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Das tragische Ende
2010 passierte der Super-GAU im deutschen Fernsehen: Samuel Koch stürzte bei einer Wette so schlimm, dass die Sendung abgebrochen wurde und Thomas Gottschalk nicht mehr moderieren wollte. Danach kam Markus Lanz, der zwar ganz gut, aber trotzdem glücklos das Format noch weitere 4 Jahre am Leben erhielt oder besser gesagt: das Leben von „Wetten, dass..?“ wurde künstlich verlängert. Aber dann war Schluss, vermeintlich für immer.
Die größte Show der Fernsehgeschichte
Die Bedeutung dieser Sendung – auch wenn man sie vielleicht nicht gesehen oder sogar verabscheut hat – kann gar nicht hoch genug einsortiert werden. Ihr müsste bedenken, dass sie es geschafft hat, ganze Familien an Samstagabenden vor den Fernseher zu fesseln, bei Bagger- und Buntstiftwetten, bei Michael Jackson, Madonna und den Fantastischen 4. Abende, an die ich mich als Kind noch gut erinnern konnte. Meine Mum regte sich immer auf, dass so unverschämt überzogen wurde, aber trotzdem hat sie samstags vor der Glotze gesessen und mitgefiebert. Seit 1981 habe ich mitgeschaut, damals 12 Jahre alt. „Wetten, dass..?“ hat mich mehrere Jahrzehnte meines Lebens begleitet, so wie viele andere Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch.
Mir kam die Idee, dass diese Grande Dame der Fernsehunterhaltung vielleicht ein Stück Kulturgut sein könnte, eine Art von Zusammenhalt gestiftet haben könnte. Denn wenn wir ehrlich sind: junge, alte, hippe, langweilige, schöne, hässliche, linke, rechte und alle Ossis und Besserwessis waren vereint. Vereint vor der Glotze mit einem bzw. über die Jahre mehreren gut gelaunten Moderatoren, spektakulären Gästen jedweder Hautfarbe und Religion, aufsehenerregenden Show-Acts und Wetten, die Geschichte schrieben. Und am montags hat jeder auf der Arbeit darüber schwadroniert, wie er die Sendung fand.
„Wetten, dass..?“ hat nicht polarisiert, sondern einen sehr großen Teil von Deutschland geeint. Es gab nie Diskussionen über die Nationalität der Gäste, über ihre Religion, ihre Hautfarbe, ihre politische Gesinnung. Es hat einfach niemanden interessiert, denn man hat mit der Chipstüte ein paar unterhaltsame Stunden vor dem Fernseher verbracht und mitgefiebert, sich gefreut und auch gestaunt. Denn es war einfach für jeden etwas dabei.
Die traurigen Jahre danach
Als diese letzte große Samstagabend-Show verschwand, kam irgendwann kurze Zeit später „The Rise of The Fucking aFd“, dann kamen die Flüchtlinge, die Anschläge auf Ausländer, die teilweise idiotische Politik der Bundesregierung, Trump, Corona, die „Quer“denker, die Impfgegner und die Klimakatastrophe (die es nicht erst seit diesem Zeitpunkt gab). Alles wurde polarisierter, politischer, ernster, böser, dogmatischer, hasserfüllter. Da muss ich gar nicht ins Detail gehen – Ihr wisst genau, wovon ich rede und was seitdem alles passiert ist.
Und dann kam der 07. November 2021. Inmitten übelster Inzidenzen und einer schier hoffnungslosen Corona-Lage, einem verkackten Klimagipfel in Glasgow, brutaler Inflation und what-the-hell noch alles, versammeln sich viele wieder um 20.15 Uhr vor dem Fernseher und schalten um auf das ZDF. Denn es läuft etwas, das wir noch nie so gebraucht haben wie jetzt: die letzte große Samstagabendshow Europas, vielleicht der Welt. Reloaded. Und wir sitzen davor wie damals, als die Welt noch in Ordnung war.
Die Wiedergeburt
Heute war es also soweit, aus Nürnberg (der Stadt, aus der auch die letzte Sendung ausgestrahlt wurde) kam live die erste neue „Wetten, dass..?“-Sendung des Jahrzehnts. Und, wie war sie?
Was meine Sichtweise angeht: großartig! Denn es wurden wieder die besten aller Welten verbunden, und zwar Entertainment, Emotionen, tolle Gäste (ABBA! Lindenberg!, Elstner aka The Frank!!!) und großartige Wetten. Da war sowohl für die Kampflinken-WG im Schanzenviertel was dabei als auch für die Querdenker, die endlich mal über etwas anderes nachdenken konnten als den kommenden Sturm auf den Reichstag. Die Biederen wurden bedient, die Langweiligen, die Hipster, die Nostalgiker, die Couch-Potatoes und auch die „früher war alles besser!“-Fraktion. Da hat sicher der ein oder andere stramme Neonazi gesagt „das Negermädchen kann aber schon geil singen!“, als Zoe Wees auftrat und der Hipster hat anerkennend befunden, dass „der Gottschalk zwar ein arroganter alter Sack ist, aber immer noch das Publikum verdammt gut im Griff hat“. Die Linksextremisten-WG aus dem Schanzenviertel wird sich vielleicht auch ausnahmsweise mal nicht über den Straßenkampf und brennende Autos unterhalten haben, sondern die Klobürsten-Wette zum Brüllen komisch gefunden haben.
Ich würde mir wünschen, dass „Wetten, dass..?“ wiederkommt. Auch wenn es vielleicht nur einmal pro Jahr ist, dann aber richtig. Und mit richtig viel Bums, Baggerwetten und mindestens einer Stunde Überziehung. Davon abgesehen: das ZDF würde unserer Republik wirklich einen gigantischen Gefallen tun, wenn beschlossen würde, dass es weitergeht. Denn ich finde, dass diese Show für das ganze Land sinnstiftend und befriedend sein könnte in Zeiten, in denen Hass, Wahnsinn und Egoismus die beherrschenden Stimmungen sind.
Nur die Miesepeter, die Dauernörgler, die Misanthropen – ja, die können damit nichts anfangen. Warum auch, denn die können mit gar nichts etwas anfangen. Aber hey, das ist wirklich ein zu vernachlässigender Prozentsatz. Und diese Typen gab es leider schon immer.
In diesem Sinne: Thommy, keep calm and carry on!
Für mich war „Wetten, dass..?“ eine Heile-Welt-Erfahrung an einem Samstagabend im Wohnzimmer. Meine Eltern waren damals noch zusammen und auch Oma Christel, die über uns wohnte, lebte noch. Gemeinsam saßen wir auf der Couch. Es standen Flips und Käsewürfel auf dem Tisch. Auch Salzstangen und ausnahmsweise mal ne Limo durfte ich mir genehmigen. Damals war ich acht Jahre alt, als ich die ersten Shows gesehen habe. Das Gefühl, was ich mit „Wetten, dass..?“ verbinde, ist Geborgenheit und vielleicht auch Sicherheit. Heute ist das alles anders. Ich will keiner von denen sein, die sagen, dass früher alles besser war. Dem war nicht so. Aber es fehlt aktuell an dieser gemeinsamen Heile-Welt-Erfahrung mit der ganzen Familie. Zumindest ich empfinde das so. Ob ein Comeback der Show etwas ändern würde, glaube ich nicht, aber ich würde doch mal wieder lineares Fernsehen anschalten, wenn sie wieder zurückkäme.
Hallo Martin,
nein – ich habe die Show nicht gesehen. Ganz einfach, weil ich mich an dieser Show schon vor Jahren satt gesehen hatte. Ich konnte mit „Tommis“ negativen Aussagen zu diesem Sozialstaat, der in seinen Augen Schmarotzer durchfütterte nichts anfangen – aber dass er jedesmal aus seinem geliebten USA zurück nach Deutschland flog um hier eine Show zu moderieren machte es mir nicht leichter ihn zu mögen.
Dazu war das Format nach gefühlten 20 Jahren abgelutscht. Die Moderatoren danach, grade Markus Lanz kann ich mir im TV gar nicht antun. Dieses ewige Wort abschneiden und dazwischen reden – auf meine Rangliste der Schlechtesten Moderatoren der Welt ist er auf dem gleichen Platz wie Michel Friedmann..
Ob es eine Fernseh-Show gibt, die diese Nation eint – das wäre schön.
Ich finde, dass „SchleFaZ“ auf einem guten Weg ist – schaut man auf Twitter, gibt es eingefleischte Fans, die mitmachen und echte Happenings veranstalten. Und SchleFaZ ist mit einem tausendstel der Kosten produziert.
Diesen „Wetten dass“-Gigantismus brauchen wir nicht mehr – und Stars die auftreten, machen erst mal Werbung für ihre neuen Alben und in welchen Hallen Sie auftreten.
Will ich das? Nööö.. Man wird überall mit ‚Verbraucherinformationen‘ zugeballert. Ich habe am WE alle meine Social Media Accounts bei Twitter und Instagram gelöscht. Das hatte jetzt zwar nix mit „Wetten Dass“ zu tun, aber der ganze Hate wurde mir einfach zu viel – da kann die Sendung noch so toll gewesen sein: Mich hat sie auf ewig als Zuschauer verloren..
CU
P.